Interview im Deutschen Ärzteblatt

„Kein Sondergesetz gegen Ärzte“

Im Kampf gegen Korruption fordert der Präsident der Bundesärztekammer erweiterte Kompetenzen für die Ärztekammern und höhere Strafen für berufsrechtliche Vergehen. Zugleich mahnt er mehr Sachlichkeit in der Debatte an.
 

Herr Professor Montgomery, Union, SPD und Kassen fordern einen neuen Straftatbestand für korruptes Verhalten bei niedergelassenen Ärzten, weil sie berufs- und sozialrechtliche Regelungen für stumpfe Schwerter halten.

Montgomery: Das sehe ich anders. Wir haben Regelungen im ärztlichen Berufs- und Sozialrecht, die greifen. Wir müssen allerdings anerkennen, dass unsere Ermittlungen in berufsrechtlichen Verfahren schwierig und zuweilen langwierig sind.
 

Wirkt das berufsrechtliche Strafmaß denn ausreichend abschreckend?

Montgomery: Der Gesetzgeber muss den Strafrahmen im Berufsrecht erhöhen. In einigen Kammern können bei Vergehen nur wenige Tausend bis 10 000 Euro verhängt werden. Das ist zu wenig. Es wäre auch überlegenswert, beispielsweise den Entzug beziehungsweise das Ruhen der Approbation oder einschränkende Auflagen in das Benehmen der Ärztekammern zu stellen, damit diese zügiger, schneller und spürbarer handeln können.
 

Lehnen Sie ein eigenes Korruptionsgesetz grundsätzlich ab?

Montgomery: Wir lehnen ein lex specialis gegen Ärzte ab. Wir würden uns aber nicht gegen einen Paragrafen wehren, der für alle Freiberufler gilt, also auch für Architekten, Anwälte oder Journalisten. Wenn ein Gesetz geschaffen wird, dass bei allen greift, die in freiberuflicher Tätigkeit gegen die Interessen ihrer Mandanten oder Patienten verstoßen, prüfen wir das gerne. Wir haben dazu bereits Vorschläge erarbeitet, die wir aber noch mit der Politik abstimmen müssen. 
 

Sie fordern mehr Ermittlungskompetenzen für die Kammern. Welche?

Montgomery: Wir können uns nicht ohne weiteres Akten vorlegen lassen oder gar Praxen durchsuchen. Aber wir könnten zum Beispiel gemeinsame Arbeitsgruppen von Ärzten aus den Kammern und Staatsanwaltschaften einrichten, deren medizinische und juristische Expertisen sich ergänzen. Dann könnte man sehr viel schneller zu guten Ermittlungsergebnissen kommen.
 

Wie gut oder schlecht funktioniert denn die Zusammenarbeit zurzeit?

Montgomery: Das Problem ist, dass immer diese Trennung vollzogen wird. Entweder wird der Staatsanwalt tätig, also der Staat, oder die Kammern, also die Selbstverwaltung. Das war beim Transplantationsskandal das Gleiche. Ich bin immer sehr dafür, dass man zusammenarbeitet. Deshalb sollte der Gesetzgeber den Staatsanwaltschaften erlauben, mit den ärztlichen Berufsgerichten gemeinsame Ermittlungen zu führen, wenn, wie im aktuellen Fall, die Vorteilsnahmen niedergelassener Ärzte untersucht werden. 
 

Und wie funktioniert die Zusammenarbeit innerhalb der Selbstverwaltung, um Fehlverhalten aufzudecken?

Montgomery: Auch da gibt es Defizite. Ein Beispiel: Um Korruption zu bekämpfen, wurden nach § 128 Sozialgesetzbuch V die Ermittlungsstellen der Krankenkassen geschaffen. Mir ist zumindest aus Hamburg keine einzige Meldung dieser Stellen über korruptives Verhalten eines Arztes bekannt. Hier könnte die Zusammenarbeit sicherlich verbessert und gesetzlich klarer formuliert werden.

Die Ärztekammern haben in den letzten drei bis fünf Jahren in 487 Fällen im Rahmen des Ratiopharm-Skandals und in 448 weiteren Fällen ermittelt. Im selben Zeitraum sind bei der freiwilligen Selbstkontrolle des Verbands forschender Arzneimittelhersteller 340 Fälle verhandelt worden. Manchmal frage ich mich, ob das Volumen an Korruption, das da immer behauptet wird, nicht grotesk überzogen dargestellt wird. Und es kommt dabei immer zu einer Generalanklage gegen die Ärzte. Wir könnten Korruption wesentlich effektiver bekämpfen, wenn wir sachlicher und weniger konfrontativ vorgingen.

Das Interview führte Heike Korzilius.

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http://www.aerzteblatt.de/archiv/134086/Interview-mit-Prof-Dr-med-Frank-Ulrich-Montgomery-Praesident-der-Bundesaerztekammer-Kein-Sondergesetz-gegen-Aerzte